Im Rahmen des aktuellen Schuljahres wurden im Frühjahr an der SABEL FOS digitale Tafeln montiert. Mit Beginn des kommenden Schuljahres 2022/23 sollen alle Räume der Münchner SABEL Schulen mit digitalen Tafeln ausgestattet sein.
Für Manos Votsos, Mathematik-Lehrer an der SABEL FOS und an der SABEL Realschule, ist diese digitale Neuanschaffung nicht nur eine ganz neue Möglichkeit der interaktiven Einbindung seiner Schüler und Schülerinnen in den Unterricht. Für ihn und sein Lehrerkollegium heißt es auch, neue Unterrichtskonzepte zu entwickeln und zu gestalten. Das ist ein längerer Lernprozess. Alles ist offen. Dennoch ist ihm schon jetzt klar, dass selbst eine simple digitale Tafel kombiniert mit innovativen Lernkonzepten eine Bereicherung sowohl für den Unterricht als auch für jeden einzelnen Schüler sein kann. In den Pfingstferien hat er dazu seine Gedanken zu Papier gebracht.
……Abgesehen von einer Eingewöhnungsphase, die nunmehr nach knapp zwei Monaten als beendet angesehen werden kann, stellt das Arbeiten an der digitalen Tafel eine erhebliche Vereinfachung dar. Das ist großartig! Gleichzeitig – und das ist überhaupt das Wichtigste – sorgt diese neue Lernumgebung dafür, dass die Motivation auf Seiten der Schülerinnen und Schüler sowie das Interesse, sich mit den Inhalten eines Faches auseinanderzusetzen, doch um ein Vielfaches gestiegen ist. Diese bizarren Eigenheiten des digitalen Lebens sind nun mal in unserer Zeit allgegenwärtig: Sobald eine digitale Komponente Einzug hält, wird das Interesse für einen doch eigentlich recht uninteressanten Aspekt auf Seiten von jungen Menschen plötzlich sehr viel größer. Nun denn…, wenn es der Sache dienlich ist, warum nicht…?
Und wir Lehrkräfte? Die Eingewöhnung beim Arbeiten mit den digitalen Tafeln mag vorbei sein. Man kennt sich inzwischen so gut aus, dass man routiniert diese Tafeln im Rahmen des Unterrichtsgesprächs einsetzen kann. Programme öffnen und in den Unterricht einbinden, mit dem digitalen Stift arbeiten und beeindruckende Tafelbilder erstellen, das alles mutet schon recht überzeugend an. Doch reicht das? Ist das alles? Steht denn der ganz große Coup nicht doch noch aus? Dieser Coup, der das gesamte Unterrichtsgeschehen revolutionieren sollte? Der Autor der vorliegenden Zeilen arbeitet an der FOS bereits seit April mit diesen Tafeln, doch der Unterrichtsablauf ist mehr oder weniger gleichgeblieben. Digitale Tafeln hin oder her. Das Medium ist zwar ein anderes. Doch der Unterricht im Vergleich zu Zeiten analoger Tafeln gleich. Das stimmt zunächst mal nachdenklich.
Der optimale Einsatz solcher Tafeln sollte im Idealfall eine gänzlich neue Arbeitsweise für uns Lehrkräfte mit sich bringen. Soll das gesamte Potenzial, das in einer solchen neuartigen Lernumgebung vorhanden ist, genutzt werden, braucht es viel mehr als bloß den handwerklichen Umgang damit. Der Einsatz solcher digitalen Tafeln ermöglicht auch die einfache Nutzung von entsprechenden Apps, die bereits alle vorhanden sind. Mit diesen muss man sich auseinandersetzen, um sie in den eigenen Unterrichtsentwurf und in die Unterrichtskonzeption einer jeden Stunde einzufügen. Solche Apps sind unter anderem fachspezifische online Seiten, dynamische Geometriesoftwarepakete, die mathematische Prozesse visualisieren, Test-Apps, die interaktiv eine Rückmeldung und eine Bewertung der erbrachten Leistung der Lernenden anbieten, zahlreiche Quiz-Apps, die Freude bereiten und Neugierde schüren, Apps, die mittels QR-Codes auf ausführliche Webseiten und/oder auf Lern- und Themenvideos zugreifen und nicht zuletzt Kamera-Apps zum Aufnehmen von Lernvideos oder aber auch zur unkomplizierten und sofortigen Einbindung von Film- oder Audio-Sequenzen in das Unterrichtsgeschehen. Die Einsatzmöglichkeiten von digitalen Werkzeugen decken also mindestens folgende Situationen ab, deren Ausschöpfung im Mathematikunterricht einen zentralen Aspekt von kompetenzorientiertem Unterricht darstellen: Experimentieren, simulieren, berechnen, visualisieren, kontrollieren, recherchieren… Clevere Apps unterstützen dabei, bereichern den Unterrichtsablauf und erzeugen eine gewünschte Abwechslung hinsichtlich Methode und Medienart. Und all das im Handumdrehen, bei einem riesigen Gewinn von Zeit! Kostbare Zeit, die für verständnisorientierten Unterricht gewonnen wird. Nun wird es auch einfacher, innerhalb einer Klasse zu differenzieren und leistungsschwache Schülerinnen und Schüler zu motivieren und zu fördern. Im Vergleich zum Unterrichten noch von vor einigen Jahren kommt das doch in der Tat einer Revolution gleich…
Bei der Nutzung der digitalen Tafeln im Unterricht sollten Phasen der aktiven Einbindung von Schülerinnen und Schüler in das Unterrichtsgespräch eingebaut werden und sie somit mit Neugierde, mit Spannung aber vor allem mit Freude am Unterrichtsgeschehen teilhaben lassen… In Zeiten, in denen alle Lernenden wie selbstverständlich ein omnipräsentes Smartphone bei sich tragen und damit einen leistungsstarken Computer in der Hosentasche haben, welcher problemlos mit einer digitalen Tafel gekoppelt werden kann, kann so manche Lernsituation geschaffen werden, die einen nicht unerheblichen Lerneffekt verspricht: Lernende sind aktiv und spielerisch in den Unterrichtsablauf eingebunden. Phasen des Übens, der Wiederholung und Festigung, aber auch Phasen des Entdeckens erscheinen in den Augen der Lernenden viel interessanter und ansprechender, weil – nun ja – es ist sehr einfach: Weil sie digital auf dem eigenen Smartphone erfolgen. Die Bereitschaft und die Motivation, auf dem eigenen Handy dieses oder jenes ausprobieren zu dürfen, sind riesig. Smartphones sind nun mal ein wesentlicher Bestandteil der Lebenswelt von jungen Menschen – und nicht nur junger Menschen. Aus ihrer Sicht gibt es nicht einen plausiblen Grund, warum Smartphones, Tablets und Computer aus dem Unterrichtsgeschehen und allgemein aus ihrem Lebensort „Schule“ ferngehalten werden sollen. Wenn wir ehrlich sind, dann ist doch für fast alle Erwachsenen der Griff zum Handy inzwischen eine fast schon unbewusste routinierte Alltagshandlung. Ob zuhause oder unterwegs. Ob bei der Arbeit oder in der Freizeit! Wer von uns greift nicht sofort wie selbstverständlich bei jeder erstbesten Gelegenheit zum Handy, um… naja, was auch immer! Warum bilden wir uns ein, dass wir also tagtäglich so viele Unterrichtsstunden halten können, in denen dieser Griff zum Handy auf Seiten der Lernenden verpönt ist? Es ist doch vielmehr so, dass die gesellschaftliche Akzeptanz und die Nachfrage nach digitalen Medien und damit einhergehend nach verantwortungsvollen und kompetenten Nutzern in allen Lebensbereichen sehr hoch ist – Tendenz steigend. Welchen Beitrag kann Schule in diesem globalen Kontext also liefern? Der Umgang mit solchen digitalen Endgeräten als selbstverständliche Werkzeuge sollte selbstredend gewinnbringend in den Unterricht eingebaut werden. Die digitale Tafel bietet dafür eine optimale Lernumgebung, die diese Umsetzung unterstützt. Die Schülerinnen und Schüler werden begeistert sein!
All dies stellt die größte Herausforderung für alle am Unterricht Beteiligten dar. Aber insbesondere für uns Lehrkräfte! Der Autor dieser Zeilen betrachtet es als das größte persönliche Projekt für die kommende Zeit. Den Umgang mit digitalen Tafeln so clever und gewinnbringend in die eigenen Unterrichtsstunden einzubetten, dass dadurch tatsächlich ein neuartiges, zeitgemäßes und vor allem erfolgreiches Unterrichten entstehen kann, das ist das Ziel! Ein neuartiges Unterrichten zum Vorteil aller Beteiligten. Und die wichtigsten Beteiligten sind und bleiben die Schülerinnen und Schüler – die Hauptakteure einer jeden Schule. Sind sie erstmal motiviert und interessiert, so liegen die besten Voraussetzungen für erfolgreiches und nachhaltiges Lernen vor.
Auch die erfahrenste Lehrkraft im analogen Bereich kann nicht ohne Weiteres auf den Unterricht an digitalen Tafeln reibungsfrei und problemlos wechseln. Selbst wenn die letzten Jahre unseres Mathematikunterrichts den Einsatz von E-Books, von elektronischen Arbeitsblättern und der dynamischen Geometriesoftware wie selbstverständlich beinhaltet haben, so ist nunmehr die nächste Ausbaustufe erreicht. Auch wenn wir in den letzten beiden Jahren sehr viele Phasen des pandemiebedingten Distanzunterrichts erlebt haben, die uns im digitalen Unterrichten neue Möglichkeiten und neue Erkenntnisse geboten haben, so steht nun der nächste revolutionierende Schritt an.
Nun gilt es den Unterricht nicht nur für die kommenden Monate neu zu denken. Es geht nicht darum, eine gewisse Zeit zu überbrücken. Wir stehen an der Schwelle eines Paradigmenwechsels, der die kommenden Jahrzehnte maßgeblich beeinflussen und prägen wird. Dabei müssen Aspekte des Datenschutzes genauso eine Rolle spielen wie eine technische Breitbandversorgung. Ein funktionierendes Schulnetz mit ausreichend starkem W-LAN in sämtlichen Unterrichtsräumen und auf jedem Endgerät sollte wie selbstverständlich jederzeit verfügbar sein.
Die digitalen Tafeln sind eine großartige Anschaffung. Das ist unumstritten. Doch das allein genügt nicht. Bei der Transformation in Richtung „digitale Schule“ handelt es sich um einen längeren Prozess, der unaufhörlich aufmerksam und kritisch begleitet werden muss. Man wird Rückschlüsse ziehen müssen und man wird den Erfolg getroffener Entscheidungen bewerten müssen. Wie sehr kann eine digitale Tafel das Unterrichtsgeschehen und damit den Lerneffekt tatsächlich optimieren? Dazu bedarf es so mancher Fortbildung, die eben mehr beinhalten muss als die bloße Fähigkeit des handwerklichen Bedienens einer digitalen Tafel. Es bedarf Konzepte für das digitale Unterrichten und Wissenskompetenzen in Bezug auf den optimalen Einsatz einer solchen Tafel. Es bedarf eine komplette Neuausrichtung des Unterrichts, also der seit vielen Jahren durchaus erfolgreich etablierten Gestaltung von Unterrichtsstunden. Und allen voran bedarf es die Bereitschaft auf Lehrerseite, sich dieser Herausforderung zu stellen.
Auf ein gutes Gelingen!
Es wird spannend…
Manos Votsos
In den Pfingstferien 2022